Literatur und Sachbuch
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Leseprobe »Mord in Öl«

 

Sonntag

Nur ein leises Sirren war zu hören, als das ferngesteuerte Fluggerät langsam am Kirchturm hinauf und an der Uhr vorbei nach oben schwebte. Am Schallloch in fünfundzwanzig Metern Höhe angekommen, verharrte es stehend in der Luft. Die vier Elektromotoren surrten gleichmäßig.
»Geht es noch ein bisschen höher«, fragte Pastor Lenz, »vielleicht noch zwanzig Zentimeter, dann müssten wir was sehen.«
Bodo schob einen Hebel an der Fernsteuerung nach vorne und schon stieg das Fluggerät ein paar Zentimeter höher. Pastor Lenz schaute auf das iPad in seiner Hand, auf dem die Bilder der Kamera in der Drohne direkt zu sehen waren.
»Können Sie jetzt noch ein bisschen näher an das Schallloch ran fliegen?«, bat er und Bodo sagte: »Aber höchstens noch zehn Zentimeter, sonst stößt das Gerät an die Mauer!«
Er blickte konzentriert auf den Monitor der Steuerung, bediente vorsichtig den Hebel für »Vorwärts« und langsam näherte sich die Drohne dem Turm.
Pastor Lenz schaute auf den Monitor, Bodo zoomte mit der Kamera in das Schallloch der Glocken.
Plötzlich schoss blitzschnell der Falke aus seinem Versteck und schlug mit seinen Krallen nach dem Fluggerät. Federn stoben durch die Luft, der Falke stieß schrille Schreie aus. Die Drohne geriet ins Schlingern, durch den Schlag war einer ihrer Motoren ausgefallen, taumelnd verlor sie an Höhe, mit kreiselnden Bewegungen stürzte sie nach unten, Richtung Friedhof.
Mit verbissenem Gesicht stand Bodo da, er bewegte hektisch die Hebel der Steuerung und versuchte den Quadrocopter zu stabilisieren. Der Falke setzte zum zweiten Angriff an, im Sturzflug sauste er auf das Fluggerät zu.
Pastor Lenz sagte erschrocken: »Oh, mein Gott!« und trat drei Schritte zurück.
Bodo drückte den Knopf »automatische Stabilisierung«, sofort hörten die taumelnden Bewegungen auf, die Drohne normalisierte ihr Flugverhalten und kam dicht über den Gräbern wieder in den Schwebezustand. Der Falke zischte ganz nah vorbei, er stieß einen weiteren Schrei aus und schoss mit schnellen Flügelschlägen nach oben zum Schallloch, wo er auf dem Sims nervös hin und her wippte und sein Gefieder putzte.
»Das war knapp«, sagte Pastor Lenz erleichtert, »in letzter Sekunde gerettet, könnte man sagen. Da haben wir Gott sei dank noch mal Glück gehabt!«
Bodo wischte sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn und sagte ganz cool: »Gelernt ist gelernt, Herr Pastor. Der liebe Gott war da eher nicht im Spiel!«
»Und ich habe schon befürchtet, das Gerät zerschellt zwischen den Gräbern!«
Bodo landete den Quadrocopter sanft auf den Betonplatten des Kirchvorhofs, dann schaltete er die Motoren aus und sagte: »So schnell stürzt mir nichts mehr ab. Am Anfang habe ich Lehrgeld bezahlt und einige Geräte bei Abstürzen verloren. Aber die Dinger werden immer unkomplizierter und leichter zu steuern, mittlerweile habe ich Routine bekommen. Aber dass der Falke angreift, damit hatte ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet!«
»Sie haben echt gut reagiert«, lobte Pastor Lenz, »jetzt wissen wir, dank Ihrer Hilfe, dass der Falke wieder im Turm brütet.«
»Und dass er seine Brut gegen Drohnen verteidigt! Wie viele Junge hatte er letztes Jahr?«
»Wir haben, nachdem sie geschlüpft waren, fünf gezählt, aber ein Jungvogel lag morgens tot hier unten. Vier Junge hat der Falke groß gezogen. Die Schweinerei mit dem Vogelkot war der Anlass, Sie zu bitten nachzuschauen, ob er wieder brütet. Jetzt können wir jemand beauftragen, der ein Brett unter dem Sims am Schallloch befestigt, das die Exkremente auffängt, damit sie nicht mehr die Kupferzeiger der Kirchenuhr verätzen.«
»Wenn ich jetzt noch das Kirchendach auf die undichte Stelle absuchen soll, muss ich vor dem Flug einen Propeller auswechseln.« Bodo hatte sich vor seinem Gerät niedergekniet und zeigte auf den angeknacksten Propeller: »Den muss ich ersetzen, der Vogel hat ihm arg zugesetzt.«
»Dafür musste er im Gegenzug ein paar Federn lassen«, sagte der Pastor und Bodo witzelte:
»Ja ja, wie steht schon in der Bibel? Feder um Feder, Propeller um …«
»Das Bibelwort geht anders«, sagte Pastor Lenz streng und Bodo beschloss den Mund zu halten. Mein Gott, war der evangelisch.
»Glauben Sie, dass der Falke noch mal angreift?«, fragte Pastor Lenz besorgt.
Bodo befestigte den neuen Propeller und drehte ihn mit einem kleinen Schlüssel fest. »Wenn wir weit genug von seinem Nest weg bleiben, kommt er uns nicht mehr in die Quere. Wir versuchen es auf jeden Fall!«
Bodo stand auf und legte sich die Fernsteuerung um den Hals. Er startete die Motoren, und wieder stieg die Drohne in die Höhe.
Pastor Lenz schaute wieder auf den Bildschirm seines iPads.
»Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen mit Drohnen zu arbeiten?« fragte er.
»Ganz einfach«, meinte Bodo, »als Privatdetektiv stelle ich manchmal Ermittlungen an, bei denen ich nicht gesehen werden möchte. Diese fast lautlosen Fluggeräte mit eingebauter Kamera sind ideal dafür. In unzugänglichen Gebieten, über eingezäunten Grundstücken, wo ich niemals hinkäme, da lasse ich das Ding steigen. Ich mache meine Aufnahmen und werte sie entweder direkt vor Ort oder zu Hause am Computer aus. Im Laufe der letzten Monate haben die Aufträge zugenommen, sogar das RWE wollte im letzten Monat, dass ich die Leitungen der Stromtrasse über der Mosel untersuche. Wenn ich hier fertig bin, fahre ich noch in den Hunsrück um bei der großen Solaranlage bei Altstrimmig die Module auf Beschädigungen und Verschmutzung zu untersuchen. Ich bin mit dem Gerät viel effektiver, und auch preiswerter als ein Hubschraubereinsatz. Wie gesagt, mittlerweile möchte ich auf meinen Quadrocopter nicht mehr verzichten!«
»Ist das denn erlaubt? Ich meine, es gibt doch so etwas wie eine Lufthoheit!«
»Stimmt, Herr Pastor, aber wo kein Kläger, da kein Richter! Ich bin jetzt über dem First der Kirche, wo soll die undichte Stelle sein?«
»Bitte fliegen Sie etwas nach rechts, ja, gut so, jetzt nach unten! Wenn ich richtig geschaut habe, ist dort die feuchte Stelle auf dem Kirchenspeicher. Sehen Sie was? Ich nicht!«
Bodo steuerte den Quadrocopter nach einem festgelegten Raster, um keine Stelle des Daches zu übersehen. Es war eine hochkonzentrierte Arbeit. Erschwerend kam hinzu, dass er ab und zu nach dem Sims schauen musste, auf dem der Falke immer noch nervös von einem Fuß auf den anderen wippte. Der beobachtete das Fluggerät, unternahm aber keine Anstalten einen neuen Angriff zu fliegen.
»Ich glaube, da ist was«, sagte Bodo, »ich gehe so nah ran, wie ich kann, dann zoome ich das Ganze mit der Kamera noch näher.«
Die Drohne schwebte leise sirrend ganz nah am Schieferdach.
»Herr Kröber, wir haben die Stelle gefunden«, sagte Pastor Lenz erleichtert, »sehen Sie auf den Monitor links unten, da fehlen zwei Schieferplatten.«
Bodo steuerte das Gerät so nah er konnte an die Stelle und ließ die eingebaute Kamera ein paar Aufnahmen machen.
»Sollen wir noch an anderen Stellen suchen?«
»Nein Herr Kröber, das ist die Stelle, ich bin mir sicher! So bald es geht, wird der Dachdecker informiert. Dann regnet es hoffentlich während der Predigt nicht mehr in die Kanzel und auf meinen Kopf!«
»So eine Abkühlung während der Arbeit ist doch bestimmt nicht schlecht, Herr Pastor!«, lachte Bodo, aber Hochwürden blieb ernst. Anscheinend hatte er für Bodos Humor keine Antennen.
Langsam schwebte der Quadrocopter nach unten, Bodo hielt ihn noch einmal über der Dachrinne an: »Sie brauchen auch noch ein Stück neue Dachrinne, Hochwürden! Die Schieferplatten haben beim Runterrutschen ein Loch hinein geschlagen.«
»Auch das noch«, murmelte Pastor Lenz, »ein Unglück kommt selten allein. Ja, ich sehe den Riss jetzt, Herr Kröber. Da muss halt der Dachdecker ran, was das wieder kostet!«
»Die Kirche hat doch Geld genug, Herr Pastor«, entgegnete Bodo trocken und ließ die Drohne sanft nach unten gleiten.
»Ach was! Uns laufen die Leute doch in Scharen davon. Es gibt immer weniger Kirchgänger, ich kann die Austritte im letzten Jahr kaum noch überblicken! Und die Einnahmen schrumpfen, wo soll das noch hinführen?«
Bodo landete das Fluggerät behutsam auf dem Vorplatz der Kirche und schaltete die Motoren aus.
»So, das war’s dann, Herr Lenz!«
»Vielen, vielen Dank Herr Kröber! Sie haben der Kirchengemeinde einen großen Gefallen getan, was bekommen Sie für Ihre Arbeit?«
Bodo drückte seinen Zeigefinger auf den linken Nasenflügel und blies geräuschvoll die Luft aus dem anderen Nasenloch, er dachte kurz nach, dann sagte er: »Herr Pastor, ich mache Ihrer Gemeinde eine Spende, der Aufklärungsflug war umsonst.«
»Das ist aber schön, Herr Kröber! Vielen Dank, auch im Namen des Presbyteriums! Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Hoffentlich wird der Dachdecker nicht zu teuer, wir müssen wirklich sparen.«
Bodo packte sein Fluggerät, trug es zum Auto und verstaute es im Kofferraum. Dann verabschiedete er sich von Pastor Lenz: »So, ich muss zum nächsten Einsatzort, Herr Lenz.«
»Sie arbeiten sogar am Sonntag, Herr Kröber?«
Bodo bemerkte den süffisanten Unterton und konterte: »Sie doch auch, Herr Pastor!«
Doch Hochwürden schüttelte Bodo nur dankbar und ernst die Hand und sagte: »Vergelt’s Gott.«

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