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»Korkenzieher im Gepäck« Katarina Sieh-Burens

Königin Victoria
Die geadelte Weinlage


Als ältere Frau soll sie öfter ein Glas Whiskey getrunken haben, meistens ohne Wasser verdünnt. Besonders gern mochte sie den ungarischen Tokajer, eine standesgemäße Vorliebe. Aber auch einen guten Tropfen aus Deutschland wusste die englische Königin Victoria (1819-1901) zu schätzen.
In ihren lebenslang geführten Tagebüchern finden sich zahlreiche Eintragungen zum Thema Wein, erstaunlich oft im Jahr vor ihrer Eheschließung. Schon die Zwanzigjährige machte sich ihre eigenen Gedanken über die Wirkung von Alkohol. Wenn sie weniger konsumierte, schlief sie viel besser.1 Jahre später riet sie ihrer Tochter Vicky, nicht zu viel zu trinken, sonst würde sie fett und rot im Gesicht.2 Die Prinzessin hatte gerade den Hohenzollernprinzen und späteren 99 Tage Kaiser Friedrich III. geheiratet.
Aus Königin Victorias alltäglichen Notizen geht hervor, dass in den Residenzen Windsor Castle und Buckingham Palace viel und gerne Wein konsumiert wurde. Das viktorianische Zeitalter war ohnehin eine trinkfreudige Epoche und Wein ein bevorzugtes Getränk. Wasser hatte meist schlechte Qualität, weshalb in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts erneut die Cholera ausbrach. Tatsachen, die den Weinkonsum auf der Insel zusätzlich anheizten. Auch galt der Rebensaft immer schon als probates Mittel gegen Krankheiten.
Am königlichen Hof gab es genügend Anlässe, »dienstlicher« und privater Natur. Seien es Empfänge, Bankette, Bälle, Einweihungen, Staatsbesuche oder Taufen, Hochzeiten und andere Familienereignisse. Mein geliebter Albert ist betrunken, notierte Königin Victoria an ihrem Hochzeitstag.3
Besonders ihr väterlicher Freund und Ratgeber Lord Melbourne sprach dem Wein ausgiebig zu. Ausdrücklich lobte er die könig-lichen Vorräte. Als Begleiter zum Essen, aber auch zwischendurch, schätzte der Lebemann Claret, Champagner, Port und Hock. Über seine Trinkgewohnheiten vermerkte die Monarchin lakonisch: Er trank zu viel.4 Kein Wunder, dass Lord Melbourne gelegentlich nach dem Genuss von Hock über Kopfschmerzen am nächsten Morgen klagte. Seinen Alkoholkonsum änderte dies nicht, ebenso wenig wie Victorias Missbilligung. Ich nehme ihn als Medizin, rechtfertigte er sich schlagfertig. Was mich zum Lachen veranlasste, gab Victoria zu.5 Ohne Zweifel hatte das gemeinsame abendliche Weintrinken für die junge Frau auch einen gewissen Reiz.
Ein anderes Mal erklärte ihr der Premierminister, dass Georg IV. die Krankheit des übermäßigen Weintrinkens an den Hof gebracht habe.6 Die Zuschreibung passte zum Bild eines Herrschers, dessen Hang zur Völlerei Karikaturisten gern thematisierten. Melbourne selbst gab an, in Eaton dass richtige Trinken gelernt zu haben.
Wein wurde in Königin Victorias engerem Umfeld nicht nur genussvoll konsumiert. Ihre Aufzeichnungen lassen erkennen, dass man darüber auch gelegentlich sachkundig diskutierte. Seitdem 1833 Cyrus Redding seine »Geschichte und Beschreibung der modernen Weine« veröffentlicht hatte, war das Interesse an Wein gestiegen. Das vielgelesene Buch verbesserte in England die allgemeinen Kenntnisse darüber entscheidend.
Im Januar 1839 kam es zu einer notierenswerten Verkostung als der königliche Haushofmeister Charles Murray Königin Victoria einige alte Steinweine von 1710 zum Probieren ausschenkte. Das Geschmackserlebnis fiel enttäuschend aus: sehr sauer. Murray kommentierte dies mit den Worten: Das ist alles Einbildung, wie die Deutschen ihren Hock rühmen.7 Wenige Tage später rätselte die Königin, warum die Deutschen soviel alten Steinwein trinken. Und sie spekulierte, ob der Name Stein sich vielleicht von Ehrenbreitstein ableite.8 Das Thema scheint noch eine Zeit weiter verfolgt worden zu sein. In einem anderen Eintrag vermerkte die fleißige Tagebuchschreiberin: Redeten über Wein. Stein (von dem ich sagte, dass es kein Ort sei), wie seltsam unsere Bezeichnung Hock ist, von einem einzigen Weinberg Hochheim abgeleitet und alles Claret, was nur ein einziger kleiner Weinberg war.9
Deutscher Wein hatte in England seit 1714 an Bedeutung gewonnen, als mit Georg I. die Welfen aus Hannover auf den Königsthron gelangten. Dies wirkte sich langfristig auf das Trinkverhalten der britischen Untertanen aus. Jedoch bevorzugte man weiterhin den mit weniger Zöllen belasteten »Port« aus Portugal und auch die traditionelle Favoritenrolle der Bordeauxweine, kurz Claret genannt, blieb unangefochten. Ähnlich sah es mit Sherry aus Spanien und Weinen von den Kanarischen Inseln aus.
Aber immer häufiger brachten Schiffe auch Weinfässer aus deutschen Anbaugebieten über den Ärmelkanal. Im Idealfall waren diese Weine weich, mit nur wenig Säure im Geschmack und von goldener Farbe. Das Wort »Hock« als Pseudonym für Rheinwein, schmückte auf kleinen silbernen Schildern so manche Karaffe. Schon bald gab es erste »gefakte« Weine von Hamburger Kaufleuten.
Klar umrissene Lagenbegriffe, wie wir sie heute verwenden, waren ohnehin nicht üblich. Ganz zu schweigen vom Problem der »Originalabfüllung«. Ob es sich bei dem mit »Stein« bezeichneten Wein im königlichen Keller um einen »Steinberg« des Klosters Eberbach im Rheingau oder um den nicht weniger berühmten »Würzburger Stein« handelte, bleibt unklar.

 

 

1     Royal Archives, Windsor Castle, Queen Victoria’s Journals, (RA, VIC/MAIN/QVJ (W)), 18.11.1838
2     Herbert Tingsten, Königin Victoria und ihre Zeit, München 1975, S. 68
3     RA, VIC/MAIN/QVJ (W), 10.2.1840
4     Ebd., 26.9.1839
5     Ebd., 8.10.1839
6     Ebd., 21.9. 1838
7     Ebd., 21.1.1839
8     Ebd., 30.1.1839
9     Ebd., 2.2.1839

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