»Vitaminzwerg und Kräuterkobold«
Ulrike Puderbach/Ingrid Runkel
Das Vitamin A und die Augen
Und wieder war ihre Computerfigur erfolgreich über einen Graben gesprungen, hatte das Punktekonto anwachsen lassen. Lea saß wie gebannt vor dem Bildschirm, die Finger ihrer linken Hand flogen über die Tastatur, der rechte Zeigefinger klickte die Maustaste, wenn ihre Figur über ein Hindernis oder einen Graben springen musste.
Ihre Zimmertür öffnete sich und als ihre Mutter hinter ihr stand, drehte Lea sich unwillig um. In diesem Moment stürzte ihre Figur in einen Graben.
»Was ist denn? Musst du dich so anschleichen? Jetzt bin ich abgestürzt und muss das ganze Level noch einmal von vorne beginnen«, fragte sie ihre Mutter vorwurfsvoll.
»Wie lange sitzt du eigentlich schon wieder vor dem Bildschirm?« Die Mutter blickte ihre dreizehnjährige Tochter besorgt an. »Du hast ganz rote Augen, die müssen dir doch schon wehtun.«
»Was weiß ich, wie lange ich hier sitze und meinen Augen geht es gut«, schnappte Lea. Das stimmte nicht, ihre Augen brannten und tränten, aber das würde sie ihrer Mutter auf gar keinen Fall erzählen. Das wäre bloß Wasser auf ihre Mühlen, denn ihre Mutter hielt gar nichts von den Computerspielen. Dabei machten das doch alle in ihrer Klasse und sie wollte kein Außenseiter sein.
»Komm mit in die Küche.« Die Mutter ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, sie hatte schon ihre ältere Tochter durch die Pubertät begleitet und kannte die Anzeichen. »Da werden wir dann mal etwas für deine Augen tun.«
»Was soll denn bitte in der Küche sein, was für meine Augen gut ist?« Lea war nicht begeistert, aber sie kannte ihre Mutter gut genug, um zu wissen, dass sie sowieso nicht nachgeben würde. Also trottete sie hinter ihr her in die Küche und hockte sich auf einen der Stühle an der Küchentheke. Die Mutter holte ein Bund Karotten aus der Gemüsekiste und legte ihn vor Lea auf den Tisch.
»Das hier«, sagte sie und in ihrer Stimme schwang ein Hauch von Triumph, als sie in das ratlose Gesicht ihrer Tochter sah.
»Was sollen Möhren bitte mit meinen Augen zu tun haben? Und jetzt komm mir bloß nicht mit dem Spruch, dass Kaninchen keine Brillen haben.«
»Ob das eine mit dem anderen etwas zu tun hat, weiß ich wirklich nicht, aber Tatsache ist, dass Karotten sehr viel Vitamin A enthalten und Vitamin A ist gut für die Sehkraft. Außerdem ist es auch gut für deine Haut«, ergänzte sie, denn sie wusste, dass Lea furchtbar unter ihrer im Moment etwas unreinen Haut litt.
»Ok, also hilft es gegen die Pickel, wenn ich Karotten esse? Dann her damit«, zeigte sich Lea nun doch interessiert.
Die Mutter lachte auf. »Ganz so einfach ist es nicht. Vitamin A ist zwar in den Karotten enthalten, aber so kann der Körper es nicht aufnehmen und verwerten.«
»Dann bringt es doch gar nichts, wenn ich das Grünfutter esse.« Lea wollte schon von ihrem Hocker rutschen.
»Nicht so eilig«, hielt ihre Mutter sie zurück. »Manchmal muss man dem Körper ein wenig auf die Sprünge helfen. Damit der Körper das Vitamin A auch verwerten kann, braucht er einen Transporter. Das ist in diesem Fall das Fett.«
Bei dem Wort Fett rümpfte Lea die Nase. Es erinnerte sie an das Fett am Fleisch, das weiße zähe Gewebe, das sie so gar nicht mochte.
»Also können wir die Möhren entweder mit ein bisschen Butter garen oder wenn du sie lieber roh essen möchtest, machen wir einen Rohkostsalat daraus. Dazu reiben wir die gewaschenen Bio-Möhren, würzen sie mit Salz, Zucker und Zitronensaft, geben noch einen geschnittenen Apfel und ein wenig Sonnenblumenöl hinzu. Schon ist unser Salat fertig.«
Nur eine Viertelstunde später stand der fertige Rohkostsalat auf dem Tisch. Die Mutter holte zwei Glasschalen aus dem Schrank über dem Herd und sie begannen zu essen.
»Der schmeckt richtig gut«, sagte Lea mit noch vollem Mund. »Aber was macht das Vitamin A jetzt mit meinen Augen?«
»Das Vitamin A hat ganz viele wichtige Aufgaben in unserem Körper«, begann die Mutter zu erklären. »Es ist wichtig für das Wachstum und den Aufbau von Knochen, Haut und Schleimhäuten. Es hilft dem Körper, neue rote Blutkörperchen zu schaffen, die dann das Eisen speichern, das wir an vielen Stellen im Körper benötigen. Und weil es unter anderem für die Schleimhäute wichtig ist, unterstützt es auch den Sehvorgang und es hilft dem Körper, Viren, Bakterien und Parasiten abzuwehren. Es trägt zur Reparatur geschädigter Hautzellen bei und hilft so dabei, eine reine Haut zu bekommen. Du siehst also, in diesem einfachen Salat ist eine ganze Menge, was wirklich wichtig für deinen Körper ist. Aber Vitamin A ist nur eins der vielen Vitamine und Nährstoffe, die unser Körper ganz dringend braucht, um gesund und fit zu bleiben. Wer sich also ausgewogen und gesund ernährt, der kann sich viele Arztbesuche und noch mehr Medikamente sparen, denn die Natur hat gegen fast jede Krankheit ein Heilmittel, die nur leider viele Menschen nicht mehr kennen.«
Lea war jetzt doch beeindruckt. Sie hatte nicht nur eine leckere Zwischenmahlzeit gehabt, sondern auch noch eine ganze Menge gelernt. Und auch, wenn sie es ihrer Mutter gegenüber niemals zugeben würde, ihre Augen brannten gar nicht mehr und sie hatte das Computerspielen nicht vermisst.
Rohkostsalat
500 g Bio-Möhren
1 Bio Zitrone
1 TL Honig
2 EL Sonnenblumenöl
Meersalz
Die Möhren schälen und auf der Reibe in feine Streifen reiben.
Die Zitrone auspressen und den Saft mit Honig, Meersalz und Öl verrühren und unter die geraspelten Möhren heben.
1 Apfel
in kleine Würfel schneiden und unterheben.
Für den besonderen Geschmack können auch noch gehackte Walnüsse dazugegeben werden und eventuell noch
etwas Sahne.
Zur Dekoration klein geschnittene Petersilie auf den Salat streuen.